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Chao´le - Die Meeresleute
Südthailands
Wahrscheinlich
sind sie die gesellschaftliche Randgruppe Südthailands überhaupt: Die Chao´le
(Meeresleute), die sich auf einigen Inseln in Südthailand niedergelassen haben.
Auf Phuket existieren drei Siedlungen dieser Volksgruppe, so auf der Insel Ko
Siré nahe dem Hafen von Phuket, 7 km nördlich von Phuket um Sapam und am Strand
von Rawai. Nach amtlichen Schätzungen machen sie 4-5 % der Gesamtbevölkerung der
Provinz Phuket aus.
Die thailändische
Bezeichnung ist Chao´le; Chao bedeutet Leute oder Volk, und ´le ist die
südthailändische Mundart für thale. Meer. Im südthailändischen Sprachgebrauch
werden Anfangssilben häufig verschluckt und so wurde aus thale ein knappes ´le.
Die Chao´le bezeichnen sich selber als thai mai Neuthais , da viele von ihnen in
den letzten Jahren oder Jahrzehnten die thailändische Staatsbürgerschaft
erhalten haben. Die heutige Bezeichnung Seezigeuner gilt bei ihnen als
Provokation und kann im schlimmsten Fall sogar als bewusste Beleidigung
aufgefasst werden.. In den westlichen Reiseführern ist die Bezeichnung
„Meereszigeuner“ noch immer die geläufigste.
Die Herkunft
dieser Volksgruppe ist bis heute umstritten; verschiedene Theorien zufolge
stammen sie entweder von den Andamanen, aus Borneo oder Indonesien. In früheren
Jahrhunderten sollen sie als gefürchtete Piraten die Küstengewässer unsicher
gemacht haben., die in den Gewässern um die malaiische Halbinsel auf ihre
blutigen Beutezügen gingen. Westliche Seefahrer revanchierten sich, indem sie
mit Vorliebe die Frauen der Chao´le gefangen nahmen, die als besonders attraktiv
galten. Einige Historiker vertreten die These, die Chao´le seien nur durch
andere Seeräuber in den Piratendienst gepresst worden.
Die Chao´le sind
jedoch keine homogene Volksgruppe, sondern unterteilen sich in drei ethische
Gruppen: die Moken, Moklen und Urak Lawoi, die jeweils auch ihre eigene Sprache
sprechen. Heute sind die drei Zweige der Chao´le durch Heirat weitgehend
vermischt. Nur die Moken waren in früheren Zeiten seefahrende Nomaden, die sich
lediglich während des Monsums an Land niederließen, während die Moklen und Urak
Lawoi in dauerhaften Küstendörfern siedelten. Sie unterscheiden sich von den
Thais durch leicht rötliche Haare und einer dunkleren Hautfarbe.
Als
gesellschaftliche Randgruppe bestreiten die Chao´le einen ärmlichen
Lebensunterhalt als Fischer, Arbeiter in den Zinnminen oder als Perlen-Taucher.
Zum Tauchen binden sie sich einen schweren Steinbrocken a die Hüfte und atmen
durch einen bis über die Wasseroberfläche reichenden Schlauch. Der übermäßige
Druck, dem sie ohne Schutzanzug ausgesetzt sind, hat so manchen Taucher zum
Frühinvaliden gemacht. Nicht ungefährlich ist der Abbau der Schwalbennester, den
einige Chao´le in schwindelnder Höhe betreiben und der zu manchen tödlichen
Stürzen führte.
Viele versuchen
ihr Glück im Tourismus und finden dort ein sicheres Auskommen, so vor allem auf
den Phi-Phi-Inseln und in der Siedlung Rawai, in der man sich auch an die
fotografierenden Touristen gewöhnt hat. Die Kinder fordern ihren Fototribut in
Form von ein paar Baht oder Süßigkeiten. Ihr Zentrum auf Ko Panyi ist sogar ein
turbulenter Touristenmarkt geworden: Einige Restaurants, meist von Moslems
betrieben (Kein Alkohol), versorgen die Farangs, und in Souvenirläden kann man
Schmuck, Textilien, Korallen und Muscheln kaufen.
Doch glücklich
sind die meisten nicht. Im Bewusstsein ihrer niedrigen sozialen Stellung haben
sich viele Chao´le der Resignation und dem Alkohol ergeben. Wer z.B. die
Siedlung auf Ko Siray besucht, spürt die allumgebene Monotonie im Ort und die
Isolation vom wohlhabenden Thai-Leben. Eine verblüffende Parallele mit dem
Schicksal, auch in ihrem Äußeren, der australischen Ureinwohner.
Die
Provinzregierung versucht, die Chao´le zu integrieren, und dazu gehört auch die
Teilnahme der Kinder am Schulunterricht, der in Thailand sechs Mindestschuljahre
umfasst. Viele Eltern aber, die zum Teil kaum Thai, sondern nur ihre Sprache
sprechen, versagen ihren Kindern den Schulbesuch und somit eine zukünftige
Perspektive in der thailändischen Gesellschaft. Bei der Arbeit, so sagen sie,
nützen sie ihnen mehr. Diese eigenständige Isolation ist einweiteres Hindernis,
um an der thailändischen Gesellschaft teilhaben zu können. An den Kinder wird es
liegen, diese Isolation zu lösen.
Ihrer
buddhistischen Umwelt zum Trotz sind die meisten Chao´le bis heute Animisten.
Seit Jahrtausenden abhängig von den Naturgewalten, haben sie sich einer
religiösen Kultform verschrieben, die ihnen Schutz verspricht: dem Animismus.
Zwar bezeichnen sich die meisten als Buddhisten oder Moslems, eine Minderheit
hat sich dem Christentum zugewandt, jedoch ist der Animismus nach wie vor eine
Kraft, der sich kaum jemand entziehen kann.
Quelle:
Wilfried
Stevens
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